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Tag 6 der Wanderung: Barafu Camp (4.673 m) bis Uhuru Peak (5.895 m) bis Mweka Camp (3.100 m)
Der 6. Tag begann noch bevor der vorherige zu Ende war – bereits gegen 23 Uhr!
Wir hatten geplant den Gipfel bei Sonnenaufgang zu erreichen. Gute 1.200 Höhenmeter und 6 Stunden Fußmarsch trennten uns davon, unser lang ersehntes Ziel zu erreichen. Seit September 2016 saßen wir an der Planung für diesen Trip, hatten uns in das Thema „Besteigung Kilimandscharo“ eingearbeitet, Impfungen aufgefrischt und Ausrüstung gekauft.
Alles, für diesen Trip. Und für diesen Moment, zusammen auf dem Dach von Afrika zu stehen!
Und dann?
Wir hatten die Wecker etwas zeitiger gestellt, als man normalerweise aufstehen würde. So sollten wir genügend Zeit für den Aufstieg haben, der, wie sich bereits zuvor abzeichnete, insbesondere aufgrund Timos Verfassung etwas länger als gewöhnlich dauern könnte. „Pole pole”, langsam langsam. Alles ok.
Es ist klirrend kalt, deutlich unter 0 °C, als Timo und ich unser Zelt verlassen. In der Ferne erkennt man auf der Hochebene Tansanias die Lichter der umliegenden Dörfer und Städte, die nach und nach erlöschen.
Andere gehen schlafen, wir stehen auf.
Der Himmel ist klar, und ich habe selten so viele Sterne so deutlich am Himmel erkennen können; zuletzt im Outback Australiens vielleicht, was aber schon lange zurücklag.
Wir sind warm angezogen – lange Unterwäsche, Skihose, dicke Jacke mit Fließ darunter. Der Wind ist schneidig kalt. Kurz vor Verlassen des Camps gibt es noch einmal etwas Reis zu essen und Warmes zu trinken, um die Energiereserven weiter aufzufüllen. 1.200 Höhenmeter und 6 Stunden Fußmarsch bis zum Gipfel. Anschließend wieder gute 2 Stunden Abstieg zurück zum Base Camp. Dafür mussten die Reserven reichen. Unser Handgepäck ist ebenfalls gut bestückt mit Snacks und Wasser.
So verlassen und ungemütlich Landschaft und Klima auch waren (mal ganz abgesehen von der Tageszeit und den bisherigen Anstrengungen) und so anstrengend das Wandern mit abnehmendem Sauerstoffgehalt in der Luft auch wurde, so unbeschreiblich beeindruckend war er doch, dieser Moment am Kilimandscharo.
Wieso?
Weil wir selten zuvor in unserem Leben so viele neue und einzigartige Eindrücke erlebten, eine Herausforderung dieser Art annahmen, und die eigene Motivation in dieser Form gefordert wurde. Einfach sehr beeindruckend.
Der erfahrene Bergsteiger mag sich nun denken: „Kilimandscharo? Ein Kinderspiel!“ Das mag sein. Dennoch schaffen etwa 15% der Reisenden den Aufstieg zum Gipfel nicht. Und wie die meisten anderen Reisenden auch waren Timo und ich keine erfahrenen Bergsteiger, bestenfalls Hobbywanderer.
Bisher waren wir auch noch nicht am Gipfel angekommen.
Für den Typ Reisenden wie uns gilt ganz klar: Die Besteigung des Kilimandscharos ist beeindruckend und herausfordernd, wenngleich jeder sein eigenes Maß von „herausfordernd“ definiert. Eine gewisse Grundfitness und Willenskraft sind in jedem Fall förderlich. Selbst wenn die Besteigung des Kilimandscharos für jemanden nicht herausfordernd sein sollte, so kann sie dennoch beeindruckend sein und zu neuen Erkenntnissen und Perspektiven führen.
„Pole pole“, langsam langsam
Schritt für Schritt laufen wir durch die sternenklare, klirrend kalte Nacht den Berg hinauf. Der Wind hatte sich mittlerweile etwas gelegt, was das Wandern angenehmer machte. Vor uns geht es steil bergauf, hinter uns steil bergab. In der Ferne sind noch vereinzelt orangegelbe Seen an Lichtern zu erkennen. Es ist mittlerweile etwa zwei Uhr morgens. Der Gipfel des östlich von uns gelegenen 5.148 Meter hohen Mawenzi, des zweithöchsten Bergs im Kilimandscharo-Massiv, ist mittlerweile fast auf Augenhöhe. Wir hatten die 5.000 Meter Marke also bereits passiert und damit auch den Gipfel des Mont Blancs (mit 4.810 Metern der höchste Berg Westeuropas) hinter uns gelassen. Die Luft wird immer dünner, die Atmung wird tiefer und schwerer.
Und wir werden langsamer…
„Soweit noch alles ok?“, fragte ich. „Soweit noch alles ok.“, antwortete Timo. Also laufen wir weiter. Wir legen allerdings zunehmend Pausen ein. Nur noch schrittchenweise schrauben wir uns den Berg hinauf. 20 Minuten später, bei gut 5.300 Höhenmetern, dann erneut meine Frage: „Wie sieht es aus, wie fühlst du dich?“. „Ich versuch‘ noch etwas.“, kam als Antwort. Mittlerweile war allerdings auch der Punkt gekommen, dass sich unser Reiseleiter Erasto in das Gespräch einbrachte. Wir sollten achtsam sein, nichts übertreiben, nicht weitergehen als wir konnten. Wir sollten auch darüber nachdenken, die Gruppe aufzuteilen, sodass jeder mit seiner Geschwindigkeit gehen kann. Der Aufstieg ist anstrengend, die Luft wird dünner. Zu langsam zu gehen kann auch dazu führen, dass selbst jemand, der es sonst geschafft hätte, umkehren muss. „Was denkst du, Alex?“. „Wenn Timo noch etwas kann, dann versuchen wir es gemeinsam“.
Nur einige wenige Minuten später, bei etwa 5.400 Höhenmetern, gute zwei bis drei Stunden unterhalb des Gipfels war dann allerdings klar – das war’s.
Timo konnte nicht mehr.
Was macht man nun in einer solchen Situation; sowohl als Gruppe, als auch ich als guter Freund? In der Hoffnung, dass dieser Fall nicht eintreten wird, hatten wir uns bereits vor unserer Reise mit dieser Frage auseinandergesetzt. Das Fazit war – sofern es in der dann aktuellen Situation für beide in Ordnung ist, teilen wir die Gruppe auf. So könnte es zumindest einer von uns noch bis auf den Gipfel schaffen. Nach einem kurzen Gespräch waren wir uns einig, dass ich zusammen mit unserem Assistenz-Reiseleiter Amos weitergehen würde. Timo nahm die Verabschiedung sportlich. Das machte es mir leichter, ihn zusammen mit unserem Reiseleiter Erasto den Berg hinab zu verabschieden. In einem anderen Blog-Artikel schildert Timo für euch seine Erfahrung mit der Höhe nochmals im Detail.
Für mich ging es daraufhin zusammen mit Amos weiter bergauf. Der Weg wurde zunehmend steiler, die Luft dünner. Wir hielten dennoch unserer Geschwindigkeit, und, wenngleich ich mir vorkam als liefe ich einen Marathon bergauf, ging es irgendwie. „Think positive“, hatte ich im Kopf, einer der häufigen Sätze Erastos.
Stella Point, 5.756 m
Wer hier ankommt, hat es quasi geschafft. Und dennoch gibt es immer wieder Reisende, die von diesem Punkt bereits aufgrund ihrer körperlichen Verfassung den Abstieg antreten.
Am Stella Point anzukommen war für mich bereits ein überragendes Gefühl.
Der Weg von Stella Point bis zum Uhuru Peak verläuft über einen Kamm. Die Dunkelheit der Nacht wich langsam der einsetzenden Morgendämmerung, der Wind fegte eisig kalt mit hoher Geschwindigkeit über den Berg hinweg. Meine Mütze, die mir bisher gute Dienste erwiesen hatte, hatte ich mittlerweile durch ein Stirnband ergänzt.
Nach insgesamt etwa einer halben Stunde weiteren Fußwegs konnte ich ihn dann schemenhaft und nur noch einige wenige Meter vor mir gelegen erkennen – den Uhuru Peak, den Gipfel des Kilimandscharo, den höchsten Punkt Afrikas, 5.895 Meter über dem Meeresspiegel gelegen.
Ich hatte es geschafft! Ein unvergesslicher und beeindruckender Moment.
Noch lieber allerdings hätte ich mit der gesamten Gruppe vor dem Gipfelschild des Uhuru Peak gestanden.
Gegen 6 Uhr morgens erreichten Amos und ich letztlich den Gipfel des Kilimandscharos, des weltweit höchsten freistehendes Bergs. Ein paar Wanderer waren schon vor Ort, andere kamen noch nach. Die Dunkelheit der Nacht war mittlerweile der Morgendämmerung gewichen. Die dabei entstehenden Lichtspiele, die Ausblicke und das Bewusstsein das Dach Afrikas erklommen zu haben, bereiteten unvergessliche Momente.
Wir verbrachten eine knappe halbe Stunde auf der Höhe. Die Sonne war mittlerweile aufgegangen, die Eindrücke überragend. Auch die Gletscher oben auf dem Gipfel sahen beeindruckend aus – gewaltige Eismassen, die mehrere Meter hoch und Jahrtausende alt sind. Umso trauriger, dass sie insbesondere am Kibo vermutlich bereits innerhalb der nächsten 5-10 Jahre weitgehend verschwunden sein werden.
Der Abstieg zum Barafu Camp, unserem Base Camp, ging schnell, wenngleich er anstrengend war. Bereits gegen 9 Uhr morgens waren wir zurück. Timo schlief zu der Zeit, Erasto empfing mich freudig.
Nach etwas Ruhe und einem ausgiebigen Frühstück machten wir uns auf zu unserer letzten Etappe für den Tag.
Der Weg vom Base Camp zum Mweka Camp führt kontinuierlich bergab. Zunächst liefen wir durch Steinwüste, in der sich zunehmend Pflanzen wiederfanden, bis wir schließlich ins Moorland gelangen. Wir waren nur noch etwa 3.500 Meter über dem Meeresspiegel. Und, was sich noch vor einigen Tagen nach dünner Luft anfühlte, war nun ganz normal geworden. Unsere Körper hatten sich auf die Höhe eingestellt, was toll zu sehen war.
Nach insgesamt 3-4 Stunden Fußweg erreichten wir dann das letzte Camp unserer Reise.
Mweka Camp (3.100 m)
Das Mweka Camp ähnelt dem des ersten Tages, dem Machame Camp. Es liegt inmitten des Moorlands. In die Vegetation sind vereinzelt Lichtungen geschlagen. Auf diesen befanden sich nur teilweise Zelte, da im europäischen Frühling Nebensaison ist. Die beste Reisezeit für die Besteigung des Kilimandscharos gibt es pauschal nicht, sondern hängt von den persönlichen Vorlieben ab. Im März bspw. nimmt der Niederschlag etwas zu, dafür sinkt die Besucheranzahl. Die Jahreszeit, zu der ihr den Kilimandscharo besteigen wollt, solltet ihr daher u.a. von diesen Punkten abhängig machen.
Den verbleibenden Teil des Tages nutzten wir zum Ausruhen und Austausch mit unserem Team und anderen Reisenden. Die Stimmung war entspannt und unabhängig vom Erreichen des Gipfels stand fest:
Wir sammelten unvergessliche und einmalige Eindrücke!
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